16.01.2025
Hepatitis C im 360-Grad-Blick
HCV-Infektion in der Hausarztpraxis: Bewährtes & Neues
Die Elimination von Hepatitis C ist prinzipiell möglich. Experten gaben auf einer digitalen Veranstaltung einen Rundumblick zur Hepatitis-C-Situation in Deutschland und erörterten Herausforderungen.
Bei einem digitalen Symposiuma gaben Dr. Peter Buggisch, Hamburg, und Dr. Daniel Beer, Aachen, einen Überblick zur Hepatitis-C-Situation in Deutschland. Sie betonten, dass die Elimination der Erkrankung grundsätzlich möglich ist, und erörterten Herausforderungen, die dafür zu überwinden sind. Besonders hervorgehoben wurde die Rolle der Hausarztpraxen, um weitere Fortschritte in der Diagnostik und Behandlung chronischer# HCV-Infektionen zu erreichen.
Die weltweite Prävalenz von Hepatitis C wird auf etwa 50 Millionen Fälle geschätzt, mit jährlich rund 1 Million Neuinfektionen. Im Jahr 2022 starben mehr als 240.000 Menschen infolge einer chronischen Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion, vor allem durch Leberzirrhose und hepatozelluläres Karzinom (HCC) – obwohl Hepatitis C eigentlich heilbar ist.1
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat das Ziel ausgelobt, bis 2030 die HCV-Neuinfektionen um 90 % zu reduzieren, die Diagnose- und Behandlungsraten auf 90 % bzw. 80 % zu erhöhen und die HCV-bedingten Todesfälle um 65 % zu senken.2
Hepatitis C ist nicht nur eine Erkrankung der Leber
Eine chronische# HCV-Infektion betrifft nicht nur die Leber, mit möglichen Folgen wie Leberfibrose, Leberzirrhose (einschließlich hepatischer Enzephalopathie) und HCC. Hepatitis C ist grundsätzlich eine Systemerkrankung, die vielfältige Probleme verursachen kann, erinnerte Dr. Buggisch.
Über 70 % der HCV-Infizierten leiden an extrahepatischen Manifestationen, die die Krankheitslast und das Sterblichkeitsrisiko weiter erhöhen.3-6 Beispiele sind neuropsychiatrische Störungen, Augenerkrankungen, Schilddrüsendysfunktionen, hämatologische Malignitäten, Lungenfibrose, kardiovaskuläre und metabolische Erkrankungen, Kryoglobulinämie, Nierenfunktionsstörungen, Hauterkrankungen sowie muskuloskelettale Störungen, Bindegewebserkrankungen oder periphere Neuropathien.3
Das Tückische sei, so Dr. Buggisch, dass die Erkrankung häufig lange unbemerkt bleibt und die Symptome einer HCV-Infektion nicht eindeutig zuzuordnen sind, was die frühzeitige Diagnose erschwert. Hinweise können unspezifische Beschwerden wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder psychische Veränderungen sein, die jedoch selten mit einer HCV-Infektion in Verbindung gebracht werden.7
Immer noch Missverständnisse bei den Übertragungswegen
Dr. Buggisch verwies darauf, dass injizierender Drogenkonsum nach wie vor der häufigste Übertragungsweg von HCV ist. Doch auch beim Kokain-Schnupfen kann es durch Verletzungen der empfindlichen Naseninnenseite mit scharfkantigen Röhrchen zur Infektion kommen. Ebenso bergen unsauber durchgeführte Tätowierungen oder Piercings ein Infektionsrisiko. Die sexuelle Übertragung von HCV sei hingegen eher selten, außer bei Risikogruppen mit bestimmten Sexualpraktiken. Im Allgemeinen ist Hepatitis C nicht leicht übertragbar, weshalb eine Isolierung der Patient*innen in der Regel nicht erforderlich ist.
Eine weitere Herausforderung sei die hohe Stabilität des Hepatitis-C-Virus, ergänzte Dr. Beer: Selbst im getrockneten Zustand bleiben Viruspartikel noch bis zu 120 Stunden (etwa 5 Tage) infektiös.
Wo steht Deutschland mit der HCV-Elimination?
In Deutschland leben schätzungsweise etwa 190.000 Menschen mit einer HCV-Infektion, wobei eine hohe Dunkelziffer vermutet wird.8 Es sei eine zentrale Aufgabe, die Betroffenen möglichst frühzeitig zu diagnostizieren, betonte Dr. Beer. Um sich diesem Ziel zu nähern, wurden in Deutschland wichtige Maßnahmen eingeleitet. So empfiehlt das Addendum der DGVS-Leitlinie ein HCV-Screening für alle relevanten Risikogruppen sowie für Personen, die einen Test auf Hepatitis C wünschen.9 Ein bedeutender Fortschritt war auch die Erweiterung der allgemeinen Gesundheitsuntersuchung (GU bzw. Check-up 35) um das Hepatitis-C-Screening.10
Seit Ende 2023 lässt sich ein Anstieg der Hepatitis-C-Diagnosen in Deutschland beobachten.11 Neben der Einführung des HCV-Screenings im Check-up 35, was zu einer Zunahme identifizierter HCV-Fälle führte, werden auch Migrationsbewegungen aus Ländern mit hoher HCV-Prävalenz als mögliche Ursache genannt. Dr. Beer wies darauf hin, dass mehr als die Hälfte der erfassten HCV-Fälle in Deutschland gebürtig sind, aber viele Infizierte aus Osteuropa (z. B. der Ukraine) stammen.12 Daher sei es besonders wichtig, bei diesen Patient*innen verstärkt auf eine mögliche Hepatitis-C-Infektion zu achten.
Hepatitis-C-Screening: Noch Luft nach oben
Um auch Betroffene aus Nicht-Risikogruppen frühzeitig zu identifizieren und zu behandeln, wurde im Oktober 2021 das Screening auf HCV- und/oder Hepatitis-B-Virus (HBV)-Infektionen in die allgemeine GU aufgenommen, die hauptsächlich in Hausarztpraxen durchgeführt wird. Die Krankenkassen übernehmen das Screening bei Versicherten ab 35 Jahren einmalig als Regelleistung. Für die Inanspruchnahme wurden entsprechende Gebührenordnungspositionen (GOP) im EBM ergänzt.10 So kann für eine Beratung zusätzlich zur GOP 01732 die GOP 01734 extrabudgetär abgerechnet werden.
Die Testung ist unkompliziert. Eine Serumprobe wird auf Antikörper gegen HCV und das HBV-Oberflächenantigen (HBsAg) geprüft. Ist der Befund positiv, erfolgt die Bestätigungsdiagnostik i. d. R. aus derselben Probe mittels PCR-Untersuchung auf HCV-RNA bzw. HBV-DNA (PCR: Polymerase-Kettenreaktion).10 So lassen sich replikative von ausgeheilten Infektionen unterscheiden.
Dr. Beer präsentierte eine Auswertung von fast 3 Millionen Patient*innendaten (basierend auf Quartalsabrechnungen der jeweiligen GOP), die zeigte, dass in den letzten 3 Jahren nur ca. 5 % der über 35-Jährigen die allgemeine GU in Anspruch genommen haben. Etwa die Hälfte davon wurde auf Hepatitis C und B gescreent.13 Der Experte resümierte, dass hier noch „deutlich Luft nach oben“ besteht.
Was tun bei einem positiven Befund?
Entscheidend für die Elimination von Hepatitis C ist, dass positiv Getestete zeitnah eine angemessene Therapie erhalten.9 Dr. Beer wies darauf hin, dass Betroffenen zudem ein HIV-Antikörpertest angeboten werden sollte, da beide Viren über die gleichen Übertragungswege verbreitet werden.
Mit einer modernen DAA-Therapie (DAA, direkt antiviral wirkende Medikamente) lassen sich heutzutage fast alle Betroffenen mit Hepatitis C heilen§, Folgekomplikationen verhindern und Infektionsketten unterbrechen. Nach der Diagnose einer Hepatitis C mit typischer Konstellation für eine chronische# HCV-Infektion kann die antivirale Therapie umgehend eingeleitet werden – in vielen Fällen auch von Hausärzt*innen. Das frühere formale Abwarten von 6 Monaten ist nicht mehr notwendig. Es reicht aus, wenn folgende Kriterien erfüllt sind, die auf eine chronische# Infektion hinweisen: Klinisch und laborchemisch liegt keine akute bzw. ikterische Hepatitis vor, anamnestisch besteht kein Risiko(verhalten) für eine Infektion in den letzten 6 Monaten, und laborchemisch gibt es keine Evidenz für eine Serokonversion in den letzten 6 Monaten.9 Bei Hinweisen auf eine Leberzirrhose sollte ein Expertenzentrum konsultiert werden.3,9
Hepatitis C ist nahezu immer heilbar
Die Behandlung der chronischen# Hepatitis C ist mittlerweile einfach. Nahezu alle Betroffenen können mit gut verträglichen, pangenotypischen DAA-Regimen innerhalb von 8-16 Wochen nahezu nebenwirkungsfrei therapiert und in über 95 Prozent der Fälle geheilt werden§.9,14 Dies gilt auch für Patient*innen mit Begleiterkrankungen oder -problemen, wie beispielsweise aktivem Drogenkonsum.15,16
Aufwändige Voruntersuchungen sind bei der DAA-Therapie i. d. R. nicht erforderlich; es genügen allgemeine Laborwerte zur Nieren- und Leberfunktion sowie ein Blutbild. Der Therapieerfolg wird 12 Wochen nach Behandlungsende kontrolliert: Sind keine Hepatitis-C-Viren mehr nachweisbar, gelten die Patient*innen als geheilt§. Eine kontinuierliche Nachsorge, insbesondere zur Überwachung der Leberfunktion und des HCC-Risikos, ist jedoch auch nach erfolgreicher Viruselimination wichtig. Besonders Betroffenen mit Leberzirrhose – aber auch älteren Patient*innen über 65 Jahre ohne fortgeschrittene Leberfibrose – sollte die Teilnahme an einem HCC-Früherkennungsprogramm angeboten werden.3
Dr. Buggisch hob hervor, dass die Erfolgsraten der HCV-Behandlung mit DAA außergewöhnlich hoch sind. „Wir verfügen über eine sehr effektive Therapie, die das Hepatitis-C-Virus vollständig aus dem Körper eliminiert“, betonte der Experte. Trotz der einfachen und wirksamen Behandlung besteht jedoch eine bedenkliche Lücke zwischen diagnostizierten Fällen und Patient*innen, die in Therapie gebracht werden.11 Hier müsse Deutschland noch aufholen.
Therapieleitfaden für Hepatitis C als Pocket Guide
Ein vereinfachter Leitfaden (Pocket Guide) für den Praxisalltag, basierend auf dem Addendum der DGVS S3-Leitlinie9, kann Ärzt*innen bei der Diagnostik und Therapie von Hepatitis C unterstützen. Der kurze Leitfaden, der auf einen Getränkeuntersetzer passt, fasst u. a. zusammen, welche Kriterien für die Diagnose einer chronischen# HCV-Infektion erfüllt sein sollten. Zudem enthält der Pocket Guide nützliche QR-Code-Links: zur DGVS S3-Leitlinie9, zu verschiedenen Scores zur Einschätzung des Leberzirrhose-Risikos und zu einer Website mit Informationen zu möglichen Medikamenten-Interaktionen bei einer DAA-Therapie. (Weitere Informationen zum Pocket Guide finden Sie hier.)
Fazit und Botschaft beider Experten: Deutschland hat eine solide Grundlage für die Erreichung der WHO-Ziele zur Eliminierung von Hepatitis C geschaffen. Entscheidend ist nun, die Screening-Möglichkeiten konsequent zu nutzen und die Behandlungszahlen – auch und insbesondere in der hausärztlichen Versorgung – zu steigern.
Die Vorträge in Gesamtlänge:
a fresh up digital Hausarztmedizin 2024: „Virale Hepatitiden in der Hausarztpraxis“. AbbVie Firmensymposium am 29. November 2024
# Eine Hepatitis C gilt als chronisch, wenn klinisch und laborchemisch keine akute (ikterische) Hepatitis und anamnestisch und laborchemisch kein Risiko für eine Übertragung des Virus bzw. keine Evidenz für eine Serokonversion in den letzten 6 Monaten vorliegt. In diesen Fällen kann eine antivirale Therapie umgehend begonnen werden.9
§ Als von einer chronischen Hepatitis C geheilt gelten Patient*innen, die 12 Wochen nach Behandlungsende ein anhaltendes virologisches Ansprechen (sustained virologic response, SVR12) aufweisen.
Literatur:
- World Health Organization (WHO). Fact Sheet Hepatitis C, Stand 09.04.2024. Im Internet unter: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/hepatitis-c [letzter Zugriff: 16.12.2024].
- World Health Organization (WHO). Global Hepatitis Report, 2017; https://www.who.int/publications/i/item/9789241565455 [letzter Zugriff: 16.12.2024].
- Sarrazin C e al. Z Gastroenterol 2018;56:756–838.
- Lee MH et al. J Infect Dis 2012; 206(4):469–477.
- Cacoub P et al. Dig Liver Dis 2014; 46(Suppl 5):S165–S173.
- Karampatou A et al. J Hepatol 2018; 68(1):33–41.
- Meyer E et al. Epid Bull 2021; 28:3–19.
- Polaris Observatory HCV Collaborators. Lancet Gastroenterol Hepatol 2022;7(5):396–415.
- Sarrazin C et al. Z Gastroenterol 2020;58:1107–1131.
- Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV): Gesundheitsuntersuchung Check-up. Im Internet unter: https://www.kbv.de/html/5540.php [letzter Zugriff: 16.12.2024].
- HCV Tracker. Im Internet unter: https://www.hcv-tracker.de (letzter Zugriff: 16.12.2024).
- Behnke AL et al. Epid Bull 2024;30:3–19.
- HCO-Sonderanalyse der HCC Better Care GmbH, Köln.
- Hüppe D et al. Z Gastroenterol 2019; 57(1):27–36.
- Cornberg M et al. Viruses 2022;14:1541.
- Mangia et al. Liver International. 2020;40:1841–1852.
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