28.05.2024
Versorgung Rheumabetroffener
Vor der Sprechstunde: Zugangswege und verbesserte Praxisabläufe
Der Mangel an Rheumatolog*innen erschwert die Versorgung von Rheuma-Patient*innen in Deutschland. Welche Maßnahmen können bereits vor der Sprechstunde ergriffen werden, um Kapazitäten zu schaffen und die Situation zu verbessern?
Auf der von AbbVie Deutschland initiierten Fortbildungsveranstaltung „Patient*innenversorgung neu denken. Mehr Kapazität. Mehr Qualität. Mehr Flexibilität.“* unter dem Vorsitz von Dr. Peer M. Aries, Hamburg, und Dr. Martin Welcker, Planegg, wurden verschiedene Strategien vorgestellt, um dem Kapazitätenmangel der Rheumatolog*innen entgegenzuwirken. Mögliche Ansatzpunkte zur Optimierung der Patient*innenversorgung ergeben sich unter anderem bereits vor der Sprechstunde. Wie die Zugangswege zu Rheumatolog*innen und Abläufe für Patient*innen verbessert werden können, war Thema des ersten Teils der Fortbildungsveranstaltung unter Moderation von Dr. Stefan Kleinert, Erlangen.
Bereits erfolgreich getestet wurde ein Modell zur Beschleunigung der Diagnose für Patient*innen mit Verdacht auf eine axiale Spondyloarthritis (axSpA). In dem Pilotprojekt konnte gezeigt werden, dass sich die Zeit bis zur Terminvergabe bei Rheumatolog*innen durch eine von Studierenden geleitete Frühsprechstunde in Kombination mit einer kontinuierlichen Symptomerfassung über einen elektronischen Fragebogen (ePRO) um mehr als zwei Monate verkürzen ließ.1 Wie Privatdozent Dr. Johannes Knitza, Marburg, berichtete, sei die studentische Sprechstunde von den Patient*innen als gleichwertig mit der Standardversorgung empfunden worden.
Ähnlich erfolgreich im Hinblick auf eine Verkürzung der Wartezeit und eine Ressourcenschonung ist das von Privatdozent Dr. Martin Feuchtenberger, Burghausen, vorgestellte Konzept einer Telefontriage durch rheumatologische Fachangestellte (RFAs). „Allein die einfache Nachfrage beim Telefonkontakt mit Neu-Patient*innen, ob die abzuklärenden Beschwerden seit weniger oder mehr als sechs Monaten bestehen, hat die Wahrscheinlichkeit für die spätere Diagnose einer Früharthritis um das 2,4-Fache erhöht“, sagte Feuchtenberger.2 Die bestätigte Diagnose einer Früharthritis übersetzte sich in einen frühen Beginn einer spezifischen Therapieeinleitung: „Frühintervention durch Frühdiagnose also. Wir handhaben das seit sechs Jahren so, und das System ist praxistauglich“, lautete Feuchtenbergers Resümee.
Potenzial für eine strukturierte Symptomerfassung vor der Sprechstunde bietet inzwischen auch die künstliche Intelligenz (KI), wie Dr. Martin Krusche, Hamburg, informierte. So können Patient*innen beispielsweise ihre Symptome mit digitalen Symptom-Checkern wie z. B. dem Medizinprodukt Ada (ada.com) bequem zu Hause abklären. Dafür werden sie strukturiert zu ihren vorliegenden Symptomen befragt und erhalten je nach Tool eine konkrete Verdachtsdiagnose und/oder Handlungsempfehlung. „Zukünftig könnten diese Assessments auch mit Chatbots analysiert werden. Diese sind schon heute vor allem in der Erkennung entzündlich-rheumatologischer Erkrankungen nicht selten besser als die ärztlichen Kolleg*innen“, so Krusche. Wie eine Querschnittsstudie gezeigt hat, in der ein Chatbot Antworten auf Fragen generierte, die von Patient*innen in einem Online-Forum gestellt wurden, bewerteten die Fragesteller diese im Vergleich zu den Antworten des ärztlichen Fachpersonals sowohl als qualitativ hochwertiger als auch als empathischer.3
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Apps und Tools, die dazu beitragen können, Praxisabläufe zu optimieren wie z. B. AmbulApps, eine Anwendung, mit der an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeitpunkten der Behandlung von Patient*innen Daten gesammelt, und auf deren Basis anschließend rechtlich verbindliche Dokumente erstellt werden können. „Die Datensammlung kann direkt beim Onboarding der Patient*innen im Wartezimmer über ein Tablet gestartet werden und die Informationen lassen sich direkt ins Praxissystem überspielen“, sagte Dr. Johannes Hornig, Osnabrück. Möglich sei auch das Hinterlegen von Fotos und Dokumenten, die wiederum an die Patient*innen weitergeleitet werden können.
Dr. Jochen Veigel, Ravensburg, riet zum Einsatz digitaler Fragebögen wie dem AnaBoard®. „Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig, von der Anmeldung in der Praxis und der Erstvorstellung, über die Verlaufskontrolle der Symptome mit standardisierten Scores wie dem BASDAI (Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index) bis hin zur Dokumentation von Zustimmungen zu Datenschutzerklärungen und privatärztlichen Verträgen“, berichtete der Rheumatologe. Durch den Einsatz des digitalen Fragebogens würden in seinem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) ca. 1.300 Stunden pro Jahr für die Berechnung von Scores, ca. 80.000 Seiten Druckerpapier und einer Vollzeit-Scankraft eingespart.
Als All-in-One-Lösung für die Praxissoftware stellte Veigel die Eterno Cloud vor. „Vorteil der Cloud-Lösung ist, dass man alles aus einer Hand erhält, der Server in Deutschland steht und wirklich alle Aufgaben und Anforderungen wie Terminverwaltung, digitale Anamnese, Online-Patientenakte und Abrechnung in einer Software gebündelt werden, sodass die Schnittstellenproblematik entfällt“, hob Veigel hervor.
Kristin Burigk, Erlangen, machte deutlich, dass eine Verbesserung der Abläufe mit einer kritischen Prüfung der eigenen Abläufe für Patient*innen beginnen sollte. „Wir haben in unserer Praxis 11 Stationen identifiziert, die Patient*innen durchlaufen mussten. Durch das Optimieren und Vereinfachen der Patientenlenkung und die konsequente Nutzung der vorhandenen Ressourcen ist es uns gelungen, die Stationen zu reduzieren“, so Burigk. Dadurch wurden nicht nur die Anzahl der Wartezeiten für die Patient*innen innerhalb der Praxis deutlich verringert, sondern auch die Anzahl der „zeitaufwändigen“ Kontakte für das Praxisteam.
Eine zusätzliche Verbesserung konnte durch den gezielten Einsatz des Fachpersonals erreicht werden. Dazu wurde im Rahmen des Therapiemonitoring ein RFA-Telefonkontakt etabliert, bei dem eine standardisierten Abfrage erfolgt.
* Versorgungssymposium „Sprechstunde neu denken: Mehr Kapazität. Mehr Qualität. Mehr Flexibilität.“, Lufthansa Trainingszentrum, Seeheim-Jugenheim, 01.-02. März 2024
- von Rohr S et al., Student-led clinics and ePROs to accelerate diagnosis and treatment of patients with axial spondyloarthritis: results from a prospective pilot study. Rheumatol Int 2023; 43: 1905–1911.
- Daten zur Publikation eingereicht
- Ayers JW et al., Comparing Physician and Artificial Intelligence Chatbot Responses to Patient Questions Posted to a Public Social Media Forum. JAMA Intern Med 2023; 183: 589–596.
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