Exklusiv für MFAs – IBD:DICE

CED-Therapie mit Steroiden – Fluch oder Segen?


Die Studie IBD:DICE gewährt Einblicke in den Steroidgebrauch an deutschen CED-Zentren. Was lässt sich daraus lernen?


Steroide sind ein wichtiger Bestandteil der Akuttherapie von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Sie haben vor allem dann einen hohen Stellenwert, wenn es darauf ankommt, rasch eine Remission zu erreichen. Das betonen auch die aktuellen Leitlinien zur Behandlung von Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU).1-3

Im gleichen Atemzug weisen die Leitlinien allerdings auf die Kehrseite dieser Medaille hin: Für eine Langzeittherapie sind Steroide aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils nicht geeignet. Denn wer langfristig Steroide einnimmt, hat unter anderem ein erhöhtes Risiko für schwere Infektionen, Osteoporose und Bluthochdruck.4 Registerdaten legen sogar nahe, dass die Sterblichkeit von MC-Patient·innen, die Steroide einnehmen, im Vergleich zu anderweitig behandelten Patient·innen erhöht ist. Es ist jedoch unklar, ob es sich dabei um einen kausalen Zusammenhang handelt. Denkbar ist zum Beispiel, dass vor allem schwer erkrankte Patient·innen mit Steroiden behandelt werden und dass lebensbedrohliche Komplikationen daher bei diesen Betroffenen häufiger auftreten als bei Patient·innen mit einem vergleichsweise milden Krankheitsverlauf.5

Da Steroide im Rahmen einer CED-Erhaltungstherapie ohnehin nicht verhindern können, dass die Erkrankung fortschreitet6, scheint ihr Einsatzgebiet zumindest auf den ersten Blick klar abgesteckt zu sein. Die Ergebnisse der Real-World-Studie IBD:DICE legen allerdings nahe, dass ein übermäßiger Steroidgebrauch auch abseits der CED-Akuttherapie kein Einzelfall ist.


IBD:DICE-Studie geht Steroidgebrauch an deutschen CED-Zentren auf den Grund

Die Studie IBD:DICE (Inflammatory Bowel Disease: Determinants, Incidence and Consequences of Corticosteroid Excess) wurde von Gastroenterolog·innen aus über 20 Ländern in Kooperation mit AbbVie ins Leben gerufen. Sie zielt darauf ab, weltweit Daten zum Steroidgebrauch bei Menschen mit MC oder CU zu sammeln. Auf diese Weise möchte man Einblicke in die Verordnungsraten und Nebenwirkungen von Steroiden in der klinischen Praxis gewinnen und untersuchen, welchen Einfluss diese Nebenwirkungen auf das Leben von CED-Patient·innen haben.7

An der Studie sind auch deutsche Zentren beteiligt, an denen insgesamt 384 CED-Patient·innen eingeschlossen wurden. Der Steroidgebrauch wurde über einen Zeitraum von einem Jahr von den behandelnden Ärzt·innen dokumentiert sowie mit Hilfe eines Fragebogens direkt bei den Patient·innen abgefragt (s. Abbildung 1).7


Abbildung 1: Eckdaten zur IBD:DICE-Studie mit Beteiligung von deutschen CED-Zentren. 


Daten aus der deutschen Studienkohorte zeigen, dass Steroide hierzulande häufig als CED-Therapeutika eingesetzt werden. Mehr als ein Drittel (35,9 %, n = 138/384) der untersuchten Patient·innen wurden im einjährigen Beobachtungszeitraum laut Angabe ihrer Ärzt·innen mit Steroiden behandelt.7 Dabei war der Steroidgebrauch bei CU-Patient·innen (43,2 %, n = 76/176) signifikant höher als bei Patient·innen mit MC (29,1 %, n = 60/205, p = 0,004).7

Mehr als die Hälfte der mit Steroiden behandelten Patient·innen galt per definitionem als steroidabhängig (58 %, n = 80/138). Das bedeutet, dass sie entweder mehr als einen Steroidstoß innerhalb der letzten zwölf Monate erhalten hatten und/oder dass die Steroiddosis bei ihnen innerhalb der letzten drei Monate nicht reduziert wurde, obwohl keine Krankheitsaktivität vorlag (s. Abbildung 2). Bezogen auf die Gesamtkohorte war jede·r fünfte CED-Patient·in nach der oben genannten Definition steroidabhängig.7


Abbildung 2: Angaben zum Steroidgebrauch in der IBD:DICE-Studie von ärztlicher Seite (linke Säule) und von Patient·innen (rechte Säule).


Das Behandlungsziel „steroidfreie Remission“ vor Augen

PD Dr. Irina Blumenstein, Universitätsklinikum Frankfurt

Wie können medizinische Fachangestellte dazu beitragen, dass CED-Patient·innen in Remission bleiben, ohne dauerhaft auf Steroide angewiesen zu sein? Darüber haben wir mit der Gastroenterologin PD Dr. Irina Blumenstein gesprochen.

Das Interview können Sie im folgenden Podcast anhören:

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Eine interessante und zugleich besorgniserregende Beobachtung in der IBD:DICE-Studie war, dass die Einschätzung der Ärzt·innen zum Steroidgebrauch nicht immer mit den Angaben der Patient·innen in den ausgefüllten Fragebogen übereinstimmte.

Während laut ärztlicher Beurteilung 35,9 % (n = 138/384) der Patient·innen mit Steroiden behandelt wurden, gab mit 82,5 % (296/359) ein deutlich größerer Anteil der direkt befragten Patient·innen an, in den letzten zwölf Monaten Steroide erhalten zu haben. Dieser große Unterschied zeigt, dass sich die behandelnden Gastroenterolog·innen über den tatsächlichen Steroidgebrauch häufig nicht im Klaren waren. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass 9,8 % (n = 29) der Patient·innen angaben, die Steroide von einer anderen Ärztin bzw. einem anderen Arzt erhalten zu haben.

Demnach kann es offenbar vorkommen, dass wichtige Informationen zum Therapieverlauf an der Schnittstelle zwischen verschiedenen medizinischen Versorgungsstationen verloren gehen: Ein Grund mehr, das Gespräch mit den Patient·innen zu suchen und sie gezielt danach zu fragen.


Fazit


  • Steroide haben ihren Platz in der CED-Therapie. In der aktuellen S3-Leitlinie "Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn" werden sie unter anderem als bevorzugte Substanzen zur Behandlung von akuten Schüben in der Schwangerschaft empfohlen.²
  • Steroide werden aber häufig exzessiv in der CED-Therapie eingesetzt - zuweilen ohne dass die behandelnden Gastroenterolog·innen etwas davon wissen.
  • Mit einem aufklärenden Gespräch können medizinische Fachangestellte dazu beitragen, dass CED-Patient·innen eine über das notwendige Maß hinausgehende Steroidtherapie und die damit einhergehenden Risiken erspart bleiben.


  1. Torres J et al. J Crohns Colitis 2020; 1: 4–22.
  2. Sturm A et al. Z Gastroenterol 2022; 60: 332–418.
  3. Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Aktualisierte S3-Leitlinie Colitis ulcerosa, Version 6.1, Februar 2023; AWMF-Registernummer: 021-009.
  4. McKay L & Cidlowski JA (2000). Corticosteroids. In: Cancer medicine. Bast RC Jr et al. eds. Hamilton, ON: BC Decker. Verfügbar unter: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK20779/; abgerufen am 30.05.2023.
  5. Lichtenstein GR et al. Am J Gastroenterol 2012; 107: 1409–1422.
  6. Chatten K et al. Corticosteroids in the management of Inflammatory Bowel Disease. Verfügbar unter: https://www.bsg.org.uk/web-education-articles-list/corticosteroids-in-the-management-of-inflammatory-bowel-disease/; abgerufen am 30.05.2023.
  7. Blumenstein I. Z Gastroenterol 2022. Abstr. KA528:e392–e667.

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